Nachdem ich im Vorjahr das Berliner Konzert von U2 wegen der Hochzeit eines Kollegen ausgelassen hatte, ergatterte Oliver im Dezember zwei günstieg 40 Euro Tickets für das Konzert in Hannover. Naja, ergatterte… es wurde ja immer viel Show gemacht um die U2 Ticketverkäufe. Während die Vertigo – Tour tatsächlich dazu führte, dass das Shopsystem von CTS-Eventim nicht nur im Web sondern auch in den Filialen zusammenbrach, konnte man Tickets für die 360-Tour sowohl 2009 als auch 2010 noch bequem Tage vor dem Konzert kaufen. Die Deutschlandkonzerte waren 2010 auch nicht ausverkauft. In Hannover waren ganze Blocks mit Planen abgehängt.
Nachdem mich die Konzertmitschnitt U2 360 Live At Rose Bowl nur mäßig begeistert hat, und auch Hennings Beschreibung des 2009er Berliner Konzertes ehr zurückhaltend war, hatte ich keine großen Erwartungen an das Konzert, was ja generell eine gute Voraussetzung ist. An die Qualitäten der Popmart-Tour, die ich damals auch hier in Hannover erleben durfte, werden U2 vermutlich eh nie wieder heranreichen.
So war auch die Anfahrt entspannt. Nach der Katastrophe auf der Loveparade mit einigen Toten bei einer Massenpanik, war das U2 Konzerte eine der nächsten Großveranstaltungen in Deutschland. Da gleichzeitig ein Volksfest in der Nähe des Stadions im Zentrum von Hannover stattfand, wurde ein Parkchaos befürchtet. Besucher wurden gebeten am Messezentrum zu parken und dann per Straßenbahn-Shuttle zum Stadion zu kommen. Das klappte sowohl auf dem Hin- als auf dem Rückweg hervorragend. Kein Vergleich zu dem Chaos 1997.
Hinter dem Konzert standen wochenlang große Fragezeichen. Bonohatte sich nach einem ernsthaften Bandscheibenvorfall in München behandeln lassen müssen und das komplette USA Leg der Tour sowie einen Auftritt in Glastonbury ausfallen lassen. Das Konzert in der AWD-Arena in Hannover war erst das dritte der Tour. Das war gut, da die Setlist noch Überraschungen versprechen konnte, aber auch heikel, weil niemand wusste, wie Bonos Rücken den Tourstress übersteht.
Die Vorgruppe Kasabian versuchte irgend wie krampfhaft wie Oasis auszusehen und hin und wieder auch zu klingen. Auch wenn ich wieder den alten 97er Zeiten hinterher trauere: Die Fantastischen Vier war 1997 Klassen besser als Vorgruppe.
Die Setlist entpuppte sich erfrischend überarbeitet gegenüber dem Vorjahr. Hold Me, Thrill Me, Kiss Me, Kill Me war wieder mit im Programm, und ein paar neue Songs gab es auch. Die Stimmung der Band war gut, man war offensichtlich froh wieder auf Tour zu sein. Stimmungs-Highlights der Setlist waren sicherlich New Year’s Day und der Block um Vertigo herum.
Die Bühne wirkt beeindruckend. Nach dem Konzert fragt man sich aber: Wozu der Aufwand, wenn man die Möglichkeiten nicht ausnutzt. Seit der ZOO-TV & Popmart – Tour sind die U2 Bühnen immer mehr gewachsen und enthalten innovative Beleuchtungselemente. Die Shows werden aber (inhaltlich) aber immer uninteressanter. Ein Willi Williams kann einen wahren Licht-Künstler wie Marc Brickmann eben nicht ersetzen. Gavin Friday, Bonos Schulfreund, als “Show-Wasauchimmer” steuert ebensowenig wirklich überwältigende Show Elemente bei. Die grandiose Leinwand zeigt primär Bono beim Joggen auf dem langen Catwalk. Wer grandios Videoanimationen und eine stimmungsvolle, überzeugende Beleuchtung sehen will, ist bei U2 fehl am Platz und sollte sich lieber die aktuelle Roger Waters The Wall – Tour ansehen. Was hier aus der sündhaft teuren Bühne rausgeholt wird, bleibt deutlich unter den Möglichkeiten der Technik.
Auch das “360°” Konzept ist ein Witz. Tatsächlich sind es faktisch nur 270°, die genutzt werden, da U2 (siehe Foto) einen ewiglangen, autobahnbreiten Bühnenzugang im hinteren Bereich der Bühne benötigen. So sind Sie nur im vorderen Bereich der Bühne tatsächlich von Fans umgeben. im hinteren Drittel herrscht gähnende leere. Peter Gabriel hat das auf seiner Growing Up Tour deutlich besser gelöst. Da war die Bühne deutlich kleiner, stand tatsächlich in der Mitte der Halle (und nicht im Rand wie bei U2) und konnte sich drehen. Das war eine tatsächlich funktionierende 360° Show.
Der Sound war auf unseren billigen Plätzen im hinteren Bereich der Bühne, von denen aus die Sicht übrigens vermutlich besser war als auf manch teureren Plätzen, übrigens grausig.
Nach soviel negativen Punkten, für die mich einige U2 Fans vermutlich steinigen würden, abschließend auch ein paar positive Punkte. Für 40 Euro boten U2 eine gute Unterhaltung. Die Bühne war beeindruckend, auch wenn mehr möglich gewesen wäre. U2 und das Publikum hatten an diesem Abend offensichtlich Spaß, und auch ich bin zufrieden nach Hause gefahren. Das Konzert war besser als befürchtet, die 40 Euro keinesfalls vergeudet. Durch die neue Setlist hat die 360° Tour deutlich gewonnen gegenüber dem Vorjahr.
Setlist:
Return Of The Stingray Guitar
Beautiful Day
New Year’s Day
Get On Your Boots
Magnificent
Mysterious Ways / My Sweet Lord (Snippet)
Elevation
I Still Haven’t Found What I’m Looking For / Movin’ On Up (Snippet)
Glastonbury
In A Little While
Miss Sarajevo
Until The End Of The World
The Unforgettable Fire
City Of Blinding Lights
Vertigo / Rock You Like A Hurricane (Snippet)
Funky Town (Snippet) / I’ll Go Crazy If I Don’t Go Crazy Tonight Remix / Discothèque (Snippet)
Sunday Bloody Sunday
MLK
Walk On / You’ll Never Walk Alone (Snippet)
Desmond Tutu Speech
One
Amazing Grace (Snippet) / Where The Streets Have No Name
Zugaben:
Hold Me, Thrill Me, Kiss Me, Kill Me
With Or Without You / Happy Birthday (Snippet)
Moment Of Surrender