Eine verhuschte Pippi Langstrumpf bahnt sich mit ihrem abgetragenen Rucksack über der Schulter den Weg durchs Publikum auf die Bühne, hängt sich die -scheinbar etwas zu großgeratene- Fender Mustang um und beginnt gewissenhaft ihr Instrument zu stimmen. Die Königin des Grunge-Folk-Metal-Blues ist zu Besuch im Berliner Privatclub.
Niblett hat mit „It’s Up To Emma“ das bittersüßeste Trennungsalbum -mindestens des Jahres, wenn nicht seit Becks „Sea Change“– vorgelegt. Wenn man sich einmal auf diese Stimmung einlässt, eine äußerst mitreißende und einnehmende Platte. Das Konzert, das Sie zunächst für zwei Songs alleine beginnt und im Hauptteil in der ungewöhnlichen Besetzung Zwei-Gitarren-plus-Schlagzeug spielt, steht dem Album in Wucht und Emotionalität in nichts nach.
Die Themen der gleichförmigen und reduzierten Songs schwanken zwischen verzweifelter Ohnmacht, Wut, Verletzung und Vergebung und strahlen dabei gleichzeitig eine Kraft und Würde aus, die der Platte und dem Konzert auch einen versöhnlichen Aspekt verleihen.
Die Songs haben oft eine folkige oder bluesige Grundstruktur. Die wenigen Akkorde werden gegen Ende einer Zeile oft durch Bendings moduliert, so dass das Klangspektrum tatsächlich teilweise an frühe Bluesaufnahmen erinnert. Auch der Sound von Nirvanas „Unplugged“-Album kommt mir als Referenz in den Sinn. Zwischen diese zurückhaltenden und zarten Passagen brettern verzerrte Gitarren und pointierte, satte Schlagzeug-Fills und bürsten die Lieder ordentlich gegen den Strich. Auf dieses ruppige und grungig-wüste Grundgerüst setzt Niblett einfache, aber herz-zerreissend schöne Melodien, die von Ihrer Stimme oder den Gitarren intoniert werden und so einen ersehnten Kontrapunkt setzen.
Mit „Gun“ und „Can’t Fool Me Me Now“ beginnt das „Emma“-Set wie auf der Platte, die Sie fast komplett spielt. Dazwischen werden auch einige ältere Stücke eingestreut. „My Man“, „Second Chance Dream“ und das ekstatische „What can I do“ als krönender Abschluss des regulären Teils sind weitere Höhepunkte dieses fantastischen Konzertes.
Niblett schultert Ihren Songtext-Rucksack und verschwindet durchs Publikum. Nach sehr langem Applaus kehrt Sie für eine -scheinbar nicht geplante- Zugabe zurück, nachdem das Saallicht längst eingeschaltet ist und die Ausspann-Musik bereits aus den Hauslautsprechern dudelt. Mit dem 10-minütigen „Just Do It“ in dem sich Metal-Tappings auf der voll-Big-Muff-verzerrten Mustang mit leise gezupften Passagen abwechseln, schickt und Frau Niblett in den kalten Herbstabend.
Fotos: Earlybird