Von Ulm nach Amsterdam

Manchmal hat man die Qual der Wahl, wenn neue Konzerttermine veröffentlicht werden. Was soll man sehen, was muss man sehen, welche Konzerte sind vernünftig in den Lebensalltag bzw. Terminkalender integrierbar?  Bei dem Europa-Leg der 2019er Tour von Nick Masons’s Saucerful of Secrets entschloss sich das SRT-Team für das Auftaktkonzert in Ulm und das zum damaligen Zeitpunkt Abschlusskonzert der Tour in Amsterdam (später wurden noch zwei Festivalauftritte nachgeschoben). Tom hatte ein paar Monate zuvor den „Zugabenteil“ der US-Tour in England mit zwei Konzerten im Roundhouse London mitgenommen. Der Rest der Truppe hatte sich mit Ausreden wie „Job, Familie, CO2-Bilanz“  oder Sätzen wie „Da kommen bestimmt noch weitere Termine in Europa!“ aus der Affäre gezogen.

Erstes und letztes Konzert – Ulm und Amsterdam.

Das erste Konzert einer Tour, bzw. des Legs einer Tour hat Vor- und Nachteile. Gerade bei großen Bühnenproduktionen kann die Technik inkl. Media-Content ggf. noch nicht komplett sein. Sowohl Crew als auch Band sind noch nicht eingespielt. Alles läuft erstmal „auf Sicherheit, ohne Experimente“. Manchmal werden sogar erst später im Lauf der Tours Songs in die Setlist nachgeschoben. Grenzen werden noch nicht ausgetestet. 2018 erlebten wir bei Nicks Saucerful of Secrets, wie sie sich von Show zu Show steigerten. Ähnliches konnte man auch auf den David Gilmour Touren beobachten.

Andererseits kann man in den Genuss von Songpremieren kommen, die zu umwerfenden Erlebnissen wie beispielsweise die Echoes-Premiere in Dortmund 2006 werden. Möglicherweise wird man auch Ohrenzeuge von Songs, die schnell wieder aus der Setlist fliegen, weil sie doch nicht ins Konzept der Show passen. Childhoods End und Remember a Day waren bereits auf der US-Tour in die Setlist aufgenommen worden. So gab es für Ulm ein klein wenig Hoffnung, dass ein Song wie Careful with that Axe Eugene in die Setlist rutschen könnte.

Alpha und Omega, das Eröffnungs- und Tourabschlusskonzert sollten daher in diesem Jahr unsere Wahl sein. Das Konzert auf der Loreley sparten wir uns.  Sicherlich eine Spielstädte mit tollem Ausblick, aber eben Teil eines Festivals. Hier kann es passieren, dass man nur ein gekürztes Konzert präsentiert bekommt.

Analog zu unserem Bericht über 15 Jahre Sigge-Rocktours, wollten wir in Ulm das 20-jährige Bestehen mit dem obligatorischen Foto festhalten. Leider verhinderte eine Sommergrippe, dass die Berliner Fraktion vollständig anreiste. Anderen Anreisenden verhagelten Böschungsbrände die Zeitplanung auf der Anreise. Auf der Rückreise sollte es uns noch härter treffen. Hier wurden Bahnliebhaber zu künftigen Ex-Kunden. Außer Personenschaden erlebten wir so ziemlich jeden Verzögerungsgrund den die Bahn zu bieten hat in Verbindung mit völlig desinteressierten und unmotivierten DB-Mitarbeitern.

Klosterhof Wiblingen bei Ulm

Die Mitarbeiterin des lokalen Veranstalters an der Abendkasse vor den Pforten des Klosters Wiblingen war etwas enttäuscht. Nur knapp 1.500 Karten waren für das Konzert von Nick Mason und seinen Saucerful of Secrets im Vorfeld abgesetzt worden. Trotzdem war sie so freundlich und unterstützte uns bei der Käufersuche für unser überzähliges Ticket, indem sie potentielle Kunden an der Abendkasse erstmal an uns verwies. Sowas erlebt man auch selten.

PUR verkauften für den folgenden Tag ein Mehrfaches an Tickets.  Nun ja.

Kurz vor Beginn des Konzertes konnte man noch Lee Harris und Dom Beken treffen, die sich scheinbar einen Spaß darauß machen, nahezu unerkannt (eben nur von den üblichen Intensivtätern identifiziert) durch das Publikum zu laufen. Dann sind sie aber auch gerne bereit mit den Fans zu sprechen und zu fachsimpeln.

Bei angenehmen Wetter und langsam einbrechender Dämmerung startete das erste Outdoor Konzert der Tour im Klosterhof. Etwas verwundert bemerkte Gary Kemp die beiden Störche in ihrem Nest auf dem Dach des Klosters, die dem Konzert relativ unbeeindruckt folgten. Guy Pratt verarbeitete die Störche wenig später in den Lyrics von Set The Controls for the Heart oft he Sun.  Sonst gab es keine Neuerungen. Ein solides Konzert mit bekannter Setlist. Überraschungen blieben aus. Die Band spielte nicht schlecht, aber auch nicht spektakulär. Trotzdem ein guter Abend. Jammern auf hohem Niveau könnte man uns sicherlich ankreiden.

Schon beim folgenden Konzert in der Augusta Raurica berichtet Werner, den wir ebenfalls in Ulm trafen, von einer deutlichen Steigerung der Band-Perfomance.

Die folgenden wunderschönen Venues schienen die Band weiter zu pushen. Für Amsterdam erwarteten wir sie in Höchstform.

Zurück in die Halle von Amsterdam

Nach einer unspektakulären und pünktlichen Bahnreise erreichte ich Amsterdam zur Mittagszeit bei strahlendem Sonnenschein. Die 30 Grad waren ein deutlicher Kontrast zu dem verregnetem Amsterdam, das mich im letzten Jahr begrüßte.

Saucerfull of Mistakes

Nach einer ganzen Reihe von Outdoor-Venues geht es in Amsterdam zurück in die Halle. Diesmal findet das Konzert im verglichen zum Carré-Theater etwas größeren RAI-Kongresszentrum satt.

Das RAI liegt im Süden von Amsterdam, ist mit der neuen Metro, der Tram oder einer eigenen Bahnstation ideal zu erreichen. Passenderweise gibt es auch eins der von uns so geschätzten Motel Ones direkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Von den äußeren Bedingungen schon mal ganz gut.

Der Weg zum Eingang ist auch schnell gefunden. Das RAI Team bleibt bei der  Schreibweise auch konsequent.

Im Inneren gibt es 1.750 Sitzplätze, die auch alle belegt waren. Wir saßen diesmal oben auf der Balkon-Ebene. Trotzdem gefühlt nah an der Bühne. Wirklich schlechte Plätze gibt es hier nicht.

Light & Sound

Um eins vorweg zu nehmen. Plätze in den ersten Reihen, wie wir sie bei den letzten Konzerten hatten, sind nicht in jeder Beziehung von Vorteil. Teilweise bekamen wir mehr Sound von den Bühnenverstärkern zu hören, als von der PA, die praktisch über unseren Köpfen hing.  In Amsterdam saßen wir etwa auf Höhe des Mischpults, auf der rechten Seite des Saals. Der Sound war hier knackig, klar und kräftig, deutlich besser als in Ulm.

Auch die Lightshow sah man hier aus einem ganz anderen Blickwinkel. Statt sich auf einzelnen Musiker zu konzentrieren, hatten wir in Amsterdam auch oft das komplette Bühnenbild im Blick. Hier fiel mal wieder auf, dass Profis auch mit vergleichsweise kleinen Mitteln eine beeindruckende Lightshow zaubern können, währende viele andere denken, dass der Ansatz „viel hilft viel“ ausreicht. Falsch gedacht. Viel was auf Bühnen herumleuchtet ist konzeptionslos und austauschbar. Diejenigen, die schon vor 50 Jahren Wert auf gutes Licht gelegt haben, sind auch heutzutage noch vorne mit dabei – auch mit kleinem Besteck.

Die Band dreht auf

Nachdem in Ulm noch James Walsh von Starsailor den Konzertabend eröffnete, gab es in Amsterdam keinen Support-Act. Ganz klassisch startete der Abend um 20.15 Uhr direkt mit Nick Masons’s  Saucerful of Secrets. Sehr schnell merkte man, dass sich die Band in den letzten drei Wochen eingespielt hatte. Die Stimmung auf der Bühne war blendend. Von den fest einstudierten Ansagen der letzten Tour hat man sich inzwischen immer weiter entfernt. Statt der sicheren, soliden Band aus Ulm erlebten wir in Amsterdam eine wesentlich spielfreudigere Band. Längere und experimentellere Solos sind wohl der greifbarste Unterschied zum Vergleichskonzert in Ulm.

Gerade Gary Kemp und Dom Beken blühten auf und konnten sich mehr als bisher entfalten. Guy Pratt, der bereits in Ulm mehr Bassnoten in den Songs untergebracht hat, als Roger Waters sie je in diesen Songs gespielt hat, streute bei Arnold Layne die bekannte Bassline aus The Who’s  5:15 ein und wirkte zeitweise noch aufgedrehter als sonst.

Das Urteil fällt daher eindeutig aus. Amsterdam am Ende des Tour-Legs bot das bessere Konzert. Für die hin und wieder aufkommenden Fragen aus dem entfernteren Umfeld, warum man sich denn mehrere Konzerte einer Tour ansieht, haben wir nun eine weitere Antwort: Alles ist im Fluss, auch bei gleicher Setlist.

2020

Gary Kemp hat gegenüber Werner Europa Termine für das nächste Jahr angekündigt. Mal sehen, ob wir passende Termine zum Ende der Tour finden. Wenn sie wieder in Amsterdam spielen, sind wir sicher dabei.