Es war mal wieder das einzige Deutschlandkonzert von Kraftwerk in diesem Jahr. Klar ist das SRT-Team dabei, diesmal sogar wieder generationsübergreifend zu viert. Es ging es nach Dresden, vor die Semper Oper. Tom radelte standesgemäß per Rennrad in 6,5 Stunden an, so wie es Ralf & Konsorten früher teilweise auch auf Tour praktizierten. Der Rest kam per Zug und Auto. Bevor Fragen aufkommen: Ja, es hat sich wieder gelohnt, ein toller Abend. Kann man einmal im Jahr machen.
The Man-Machine
Die Setlist ist eigentlich im Vorfeld bekannt. Los geht es mit Nummern und dem Computerweltteil. Das neue Stück Tango wird nach Ätherwellen immer noch gespielt. An diesem Abend sorgte es leider nach dem verunglückten Spacelab (s. u.) für einen etwas zähen Konzertabschnitt. Doch dann kam Mensch Maschine. Dieser Bass. Er massierte einem die inneren Organe durch. Die Band konnte von ihrer Position aus sicherlich die wenige Tage zuvor eingestürzte Carolabrücke sehen. Wäre die Brücke ein paar Tage später oder gar während des Konzertes eingestürzt, hätte man garantiert den Bässen dieses Songs die Schuld gegeben. Unglaublich. Das Model fehlte zuvor in Wien, hatte es in Dresden aber wieder in die Setlist geschafft, wie wir schon vom nachmittäglichen Soundcheck wussten.
Autobahn und Boing Boom Tschak kamen in verkürzten Versionen daher, was aber nicht störte. Etwas unerwartet rutschte nach einer grandiosen und druckvollen Version von Planet der Visionen noch La Form in die Setlist.
Die Roboter wanderten zu unserer kurzen Irritation in den (hört hört) Zugabenteil, den man bei Kraftwerk sonst ebenso wenig wie eine Vorband erwartet.
La Form
Die 3-D-Ära von Kraftwerk ist nun endgültig vorbei. Was 2009 bei dem Movimentos-Wochen im Kraftwerk Wolfsburg zaghaft im (unerwarteten s. o.) Zugabenteil anfing, entwickelte sich zur perfekten 3-D-Show an außergewöhnlichen Konzertorten, zu denen zahlreiche Museen gehörten. Neben der optischen 3-D-Technik gab es auch mit der Wellenformsynthese den Dolby-Atmos-artigen großartigen Raumklang. Der fiel dann allerdings schnell weg, als man nicht mehr mehrere Katalogabende an einem kleinen, intimen Ort spielte. Zu aufwändig, insbesondere im Außenbereich.
Seit dem letzten Jahr hat sich das Visualisierungskonzept geändert: 3-D ist passé. Nun werden Fassaden geschichtsträchtiger Gebäude als Projektionsfläche genutzt. Neben der Akropolis werden auch gerne Schlösser, wie in Wien oder Karlsruhe genommen. Viel Platz für Zuschauer (18.500 in Dresden), Verzicht auf die 3D-Brillen, spektakuläre Show bis in die letzte Zuschauerreihe. Hinten sieht man tatsächlich besser.
In Dresden ging das soweit, dass die ersten Reihen tatsächlich leer blieben. Von hier aus hätte man mit einem 90 Grad nach oben Blick ggf. die Unterseite der Keyboards erspähen können, von den Protagonisten oder den Projektionen hätte man allerdings wenig bis gar nix mitbekommen.
So positionierten wir uns auch mittig zwischen dem FOH-Zelt und der vorderen Absperrung, hinter der mächtig viele Subwoofer aufgefahren waren.
Eine wacklige Bühne für das Model
Im Gegensatz zum Konzert in Karlsruhe bot die Front der Semperoper eine deutlich kleinere Projektionsfläche. Auch konnte man den zentralen Balkon über dem Haupteingangsportal scheinbar nicht als Bühne für die Band nutzen. In Karlsruhe hat das wunderbar funktioniert. In Dresden war das sicher auch angedacht, denn die letztendlich gefundene Lösung entsprach sicherlich nicht den hohen künstlerischen Ansprüchen von Ralf Hütter.
Der lokale Veranstalter schraubte kurzerhand ein Baugerüst vor den Haupteingang der Semperoper zusammen, auf dem man die Band dann positioniert. Darunter wurde ein besseres Bettlaken gespannt, dass dann als zentrale Projektionsfläche dienen sollte. Unten bildete sich ein großer Bogen wie bei einem zu kleinen Spannbettlaken. Kann man so machen, sieht dann aber aus wie gewollt und nicht gekonnt. Im Vergleich zu Karlsruhe schon ein Rückstand von 0:2 für Dresden.
Das Spacelab stürzt ab
Wie schon in Karlsruhe kritisiert, geht das Konzept der Fassade als Projektionsfläche bei den Animationen einiger Songs einfach nicht auf. Bei Songs wie Nummern oder Metall auf Metall ist die Wirkung großartig. Bei Titeln wie Autobahn verschwimmen die Animationen auf der Fassade.
Bei Spacelab erwies sich die Fassade als völlig ungeeignet für die ansonsten tollen Visuals. Der Song soff mit der völlig missglückten Projektion ab. Möglicherweise ist deshalb ein Song wie La Form in die Setlist gerutscht. Er funktioniert auf solchen Fassaden.
Optisch etwas angepasst gegenüber Karlsruhe wurden Songs wie das Model oder die Tour de France Sektion. Hier wurden die alten 4:3 Bilder auf die zentrale Projektionsfläche geschoben.
Seit 2023 hat Georg Bongartz die Aufgaben des Videooperators von Falk Grieffenhagen übernommen, der wiederum an die Position des ausgeschiedenen Fritz Hilpert aufgerückt ist. Wie die Internet-Community süffisant feststellt, mehren sich seither auch die optischen Pannen bei Kraftwerk Konzerten. Ob statistisch signifikant, wollen wir an dieser Stelle einmal dahingestellt sein lassen. Wir halten nur fest: Beim ersten Drittel von Vitamin blieb die Fassade dunkel. Egal, wie schon so oft erwähnt, sind dies die Stellen, die die Mensch Maschine menschlich macht.
Vor der Flut auf die Autobahn
Am nächsten Tag spazieren wir nochmals vom nahegelegenen Hotel an der Semperoper vorbei. Die Bühne wird gerade abgebaut, ein paar Meter weiter dann Katastrophentourismus mit Blick auf die Reste der Carolabrücke. Hochwasser ist für den Nachmittag und die kommenden Tage angesagt. So holen wir unser Auto aus der Tiefgarage und fahren auf die Autobahn, dem grauen Band mit weißen Streifen und grünem Rand.
Setlist
Nummern / Computerwelt / Computerwelt 2
Heimcomputer / It’s More Fun to Compute
Spacelab
Ätherwellen
Tango
The Man-Machine
Electric Café
Autobahn (9min short Version)
Computer Liebe
Das Model
Neonlicht
Geigerzähler
Radioaktivität
Tour de France / Tour de France Étape 3 / Chrono / Tour de France Étape 2
Trans-Europa Express / Metall auf Metall / Abzug
Planet der Visionen
La Forme / Régéneration
Vitamin
Boing Boom Tschak (short version) / Musique Non Stop
Encore:
Die Roboter
Danke für den schönen Bericht aus meiner Heimat, Manfred