Große Gefühle – großartige Stimmung – Tourauftakt von Olli Schulz in Bielefeld

Schon im letzten Jahr gehörte Olli Schulz im Rosenhof Osnabrück zu unserem Saisonauftakt. So hielten wir es auch in diesem Jahr, wenn auch in größerem Rahmen. Im ausverkauften Lokschuppen in Bielefeld startete nicht nur der SRT-Saisonauftakt 2024, sondern auch die aktuelle Tour von Olli Schulz, zeitgleich zum Erscheinungstermin seines neuen Albums Vom Rand der Zeit. Der Rolling Stone lobt es als sein bestes Album und bezeichnet es als die feste, wärmende Umarmung eines Freundes am kältesten Tag des Jahres.

Olli Schulz liebt und lebt Musik

Wer Olli Schulz etwas länger verfolgt hat, weiß, dass er Musik über alles liebt und lebt. So kommt auch sein Album und jede Minute des Konzerts von Herzen. Etwas, das man beim nur oberflächlichen Hören seiner Songs eventuell nicht bemerkt. Im Konzert wird es klar, unter anderem, weil er meist ausführlich etwas zur Entstehung und Bedeutung seiner Songs erzählt. Das gehört zu einem Olli Schulz Konzert nun mal dazu. Die durchaus langen Geschichten sind teils lustig, teils herzzerreißend bis hin zu verstörend. Wo man die Geschichte vom missglückten Puffbesuch, der in einem Reihenendhaus-Wohnzimmer mit einem Lack und Leder tragenden Ehepaar im Bielefelder Umland endet, einordnen möchte, bleibt einem selbst überlassen.

Die Vorband Alberta Cross hatte ihm vor Jahren der befreundete Musikkritiker Jan Wigger empfohlen. Gerade als er diesem stolz die Nachricht überbringen wollte, dass er mit Alberta Cross auf Tour geht, erfuhr er von dessen unerwartetem Tod. So ist es ein Auf und Ab der Gefühle, die Olli mit seinen Geschichten zwischen den Songs erzeugt, und umso mehr wird klar, wie sehr er oft in die Musik flüchtet, um das alles zu verarbeiten.

Willkommen in der Fest & Flauschig-Bubble

In den Rosenhof passten damals knapp 900 Zuschauer, diesmal waren wir mit rund 3000 anderen Fans im Lokschuppen. Die Tour ist inzwischen deutlich größer geworden. Was im letzten Jahr noch eine spontane Warm-Up-Tour während der Albumproduktion war, bei der noch Songs ausprobiert wurden, ist nun zur ausgewachsenen Tour geworden. Leider sind damit die zwischenzeitlich eingeführten Crêpes für die Zuschauer entfallen. Das war logistisch nicht mehr zu handhaben.

Das Publikum stammt vermutlich größtenteils aus der Fest & Flauschig-Bubble und ist ihm auf jeden Fall wohlgesonnen, auch wenn sich Olli artig bei den zahlreichen „mitgeschleppten Partner*innen“ bedankt. Die Stimmung ist blendend in der Halle. Nur einmal droht sie kurz zu kippen, als ein Dorfdepp, der zuvor auch durch Zwischenrufe negativ aufgefallen war, Olli durch eine laute Unterhaltung bei einer seiner Geschichten störte. Olli blaffte ihn erst angenervt an, bekam dann aber noch die Kurve und schob eine subtile Drohung hinterher: Falls der Heckler weitermacht, kommt er mit ihm nach Hause zu seinen Eltern, legt sich in die Besucherritze, fängt eine offene Liebesbeziehung mit seinen Eltern an, küsst mal den Vater, mal die Mutter, zieht mit ihnen in eine andere Stadt und der Sohn darf sie dann nur noch sehr selten besuchen. Danach wagte niemand mehr einen Zwischenruf.

Bass, Kissen, Koks und Nutten

An meiner Position, ziemlich genau Bühnenmitte, auf der Hälfte der Strecke zwischen Mischpult und Bühne, war der Sound erstklassig. Man hatte das Gefühl, der fette Basssound der Bassistin Lisa Poppensieker, dominiert den Sound der Band. Später erzählte Olli auf Instagram von technischen Problemen und einem zu basslastigen Sound. Ich fand, es war eine wunderbare Mischung.

Die Setlist enthielt eine gute Mischung aus alten und neuen Songs. Es wurde fast die Hälfte des neuen Albums gespielt. Dazu kam die Premiere des Musicals Kommissar Ärmchen und der bisher kaum live gespielte Song Koks und Nutten, der vom Aufstieg und Fall eines Musikers erzählt. Großartige Live-Songs wie Passt schon, Phase und Als Musik noch richtig groß war gehören natürlich auch zum Programm. Letzteren Song unterbricht er sonst immer nach der Zeile: Ein Mädchen kommt manchmal ins Zimmer und sagt „Papa was machst du für’n Krach?“ um zu erklären, dass das eine wahre Geschichte sei. Das sparte er sich in Bielefeld, denn die Tochter war an diesem Tag auch im Publikum. Töchter mögen es nicht, wenn Väter solche Geschichten erzählen – habe ich gehört.

Eine ganz besondere Version der Spielerfrau gab es vom Mischpult aus. Vollkommen unplugged sang er ohne Mikro und Gitarrenverstärker. Den Großteil des Songs übernahm allerdings das Publikum.

Zum Setcloser vor den Zugaben (Wenn die Music nicht so laut wär’) kam auch Witzbildmaler Ralph Ruthe, der bis dahin das Konzert vom Rand der Halle aus verfolgt hatte, mit auf die Bühne, denn es war Zeit für die große Kissenschlacht. Die Stimmung kocht. So muss es sein. Ein wunderbarer Abend mit guter Laune.

Setlist

1. So muss es beginnen
2. Falsch erzählt
3. Hamse nicht
4. Passt schon!
5. Schrecklich schöne Welt
6. Bessere Version
7. So schreibt man seinen Song
8. Stadtfest in Bonn
9. Als Musik noch richtig groß war
10. Silvester
11. Spielerfrau
12. Einfach so
13. Der Moment
14. Kommissar Ärmchen
15. Phase
16. Wenn die Music nicht so laut wär‘
17. Koks & Nutten
18. Phosphormann
19. Wenn es gut ist
20. Wenn die Sonne wieder scheint