Nachdem die festliche Eröffnung das Sommer-Konzertsaison 2012 unter widrigen metereologischen Bedingungen in der Zitadelle Spandau hart erarbeitet werden musste, folgte am Wochenende die erste Konzertabsage für das Jahr: Radiohead müssen wegen des Einsturzes des Bühnendaches in Toronto ihre Wuhlheide-Shows auf zunächst unbestimmte Zeit verschieben – gemunkelt wird im September. Für mich bedeutet es etwas Entspannung im Kalender, denn nun geht es konzertmäßig Schlag auf Schlag – und nebenher ist ja auch noch EM. Gestern Abend also dann zum Wochenstart Gravenhurst – das Konzert wurde kurzfristig vom Comet-Club in den benachbarten Magnet verlegt.
Das aktuelle Gravenhurst-Album „The Ghost in Daylight“ ist ein sehr ruhige, zarte Platte geworden. Die Krach-Exzesse wurden etwas zurückgefahren und es herrschen gezupfte Akustikgitarren, die an Richard Thomas oder Bert Jantsch erinnern, und Nick Talbots eindringliche und zerbrechliche Stimme vor. Entsprechend wurde es auch ein sehr ruhiges, intimes und besinnliches Konzert. Gleich zu Beginn wurden einige ruhige Klassiker von der „Flashlight Seasons“ und „Fires in Distant Buildings“ vorgetragen, so zum Beispiel das ebenso veschleppte wie erhabene „Nicole“.
Die Songs wurden entweder auf der akustischen oder elektrischen Gitarre vorgetragen, sehr sanft beleitet von Drums, Bass, und teilweise Keyboards. Im Mittelteil spielte Talbot dann einige Songs solo, so z.B. etwas überraschenderweise „The Prize“ – das auf dem neuen Album als eines der lauteren Stücke mit Band und Orchester daherkommt.
Hin-und wieder lief ihm in dieser Phase der Schweiß in die Augen, so dass er zweimal einen Song deswegen abbrach. Das hinterließ zwar einen etwas fahrigen Eindruck, aber er überspielte denn Moment mit einigen unterhaltsam Ausführungen über 80er-Jahre-Schweißbänder, die fälschlicherweise im Allgemeinen für ein verachtenswertes Fashion-Statement gehalten würden – schließlich hätten sie ja eine funktionale Begründung. Er jedenfalls würde ab jetzt den Oberschweißbandträger Mark Knopfler gegen jede Häme in dieser Hinsicht verteidigen…
Weil für Songs in verschiedene Stimmungen notwenig sind kam es auch zu eingen enervierenden Stimm-Pausen zwischen den Songs – vielleicht wäre ein zweite Gitarre und ein Roadie da eine Hilfe gewesen. Aber Talbot operiert mit kleinen Budget – der Chef verteilte sogar vor Beginn die Handtücher für seine Begleitmusikerinnen selbst auf der Bühne.
Höhepunkte: „Saints“ und „Hollow Men“ aus der „Western Lands“, das erst zarte, dann wüste „Black Holes in the Sand“ als scheppernder Abschluss des regulären Sets (mit standesgemäßem Lärmoutro) und das wunderschöne „Cities beneath Cities“ als Schlaflied zur guten Nacht.
Ein kleiner Vorgriff auf den Dienstagabend: Nick Talbots neue Gravenhurst-Besetzung stelle sich schon als “All-Girl-Band” an Bass und Drums heraus – ob er sich den Luxus leistet -wie Jack White zur Zeit- je nach Laune abwechselnd mit Jungs oder Mädchen aufzutreten, darf bezweifelt werden.