Kraftwerks Präsentation der Katalog-Werkschau in Berlin konnte im Grunde nur an diesem einen Ort stattfinden: Mies van der Rohes Neue Nationalgalerie, Höhepunkt der architektonischen Spätmoderne, Weihestätte der bundesrepublikanischen Hochkultur und kongeniale Verkörperung der ästhetischen Gestaltprinzipien des Neuen Bauens – in diesem Universalraum unter dem auf acht (!) Stützen schwebenden, schwarzen Flachdach ist die Mensch-Maschine Kraftwerk dort, wo sie hingehört.
Wir besuchten den Techno-Pop -Abend der Festspiele und erfreuten uns am sensationellen 3-D Sound, den ich noch nie als so klar und druckvoll in Erinnerung hatte. Erstaunlich wie einzelne Tonspuren beweglich im Raum dargestellt wurden. Das Electric Café/Techno-Pop-Album ist leider nicht ganz so gut gealtert wie die meisten seiner Vorgänger und gerade der -ehemalige- Titelsong eignet sich als Eröffnungssong eher nicht so gut. Der Telefonanruf ist auch als Instrumentalstück -ohne Karl Bartos’ Gesangsstimme- der Höhepunkt dieser Eröffnungssequenz, aufgepeppt durch den House-Phone-Remix. Den einzigen nachhaltigen Hit aus dieser Platte stellt das epische Medley aus Boing-Bumm-Tschak/ Techno-Pop/ Musique Non Stop dar, das seinen angestammten Platz am Ende des Konzerts einnimmt.
Überhaupt haben Kraftwerk den Ablauf der Katalog-Konzerte seit den Aufführungen in Düsseldorf wieder auf die bewährte Konzertdramaturgie aus früheren Jahren umgestellt. So ist die strikte Chronologie aufgegeben worden, das majestätische Trans-Europa-Express beschließt den Hauptteil des Abends. Der Vorhang schließt sich und kündigt die sehnlich erhoffte Rückkehr der Roboter an – frenetisch gefeiert wie der überfällige Besuch guter Freunde. Für mich ein Höhepunkt und eine schöne Überraschung für das Berliner Publikum. Das bezaubernde Neonlicht aus der Mensch-Maschine gab’s obendrauf.
Kleinigkeiten: Computerliebe hat ein neues Intro und ist nochmal ordentlich umgemischt worden. Auf der Autobahn holperte es hier und da.
Der Kopf des brandneuen Falk-Grieffenhagen-Roboters tauchte – mehr schlecht als recht- auf den Kopf des ausgemusterten Stefan-Pfaffe-Roboters montiert im Video auf.
Ralf Hütter rauschte jeweils am Schlussakkord von Tour de France-Etape 2 bzw. Aerodynamik, mit großer Spielfreude auf seiner mit viel Hall versehenen Dröhnorgel herum – beinhahe hätte er noch den Ellenbogen draufgehalten. Der Tour de France-Abend im Amsterdamer Paradiso ruft!