Depeche Mode standen seit dem wunderbaren 101 Live-Album von 1989 auf meiner Konzert-To-Do Liste. Irgendwie ergab sich nie die Gelegenheit, die Alben in den späten 90ern und frühen 2000ern holten mich nicht mehr so ab, und auf Konzertmitschnitten der Zeit kam für mich irgendwie nicht so die wahre Stimmung rüber. Erst der letzte Konzertmitschnitt aus der Waldbühne in Berlin – ein Konzert, an dessen Besuch ich damals knapp vorbeigeschrammt bin – überzeugte mich, bei der nächsten Tour mit dabei zu sein. Nach Corona und dem plötzlichen Tod von Andrew Fletcher hatte man die Hoffnung schon fast aufgegeben, aber dann kam die Memento Mori – Tour in den Vorverkauf.

Schnell waren Tickets für das Konzert in Düsseldorf gesichert. Die rund 45.000 Tickets waren auch schnell vergriffen, und eine Zusatzshow wurde angesetzt.

Der Innenraum war dann auch brechend voll. Gut, dass wir einen ganz brauchbaren Platz auf der Tribüne hatten.

Die (überflüssige) Vorband ließ Grusliges erwarten. Da saß wohl der Praktikant an den Reglern des Mischpults, oder man hat wie früher üblich die Vorband absichtlich mies abgemischt.

Die Sorge war unbegründet: um 20.45 starteten Depeche Mode ihr Konzert mit gutem Sound. Sehr guter Sound bleibt scheinbar immer noch den Herren aus dem Pink Floyd Umfeld vorbehalten.

Everything Counts

Los geht es mit zwei ruhigeren Tracks vom neuen Album: My Cosmos is Mine und Wagging Tongue. Normalerweise etwas gefährlich bei so einem großen Publikum, das auch viele „Best-Of“-Fans anzieht. Aber Depeche Mode können auf ihre zahlreichen Hardcore Fans vertrauen. Nicht nur der Innenraum, auch die Tribüne steht mit dem Start des Konzerts.

Bereits mit dem dritten Song (Walking in My Shoes) übernimmt die Halle große Teile des Gesangsjobs. Stimmung: Check!

Das Konzert ist von da an ein etwas ungewohnter Wechsel zwischen den großen Hits und ruhigeren, unbekannteren Stücken. Es scheint fast, als ob man sich hier Zug um Zug die ruhigen Perlen beim Publikum erkauft. Das führt dann auf den Tribünen zu einem ständigen Wechsel zwischen Sitzen und Stehen. Schadet auch nicht.

Tanz den Brummkreisel, mach den Scheibenwischer

Dave Gahan kennt aber auch andere Wege, um das (weibliche?) Publikum in Ekstase zu versetzen: Einmal mit dem Hintern Richtung Publikum wackeln und dann den Brummkreisel mit fliegenden Armen tanzen. Das Ritual wird dann recht (zu?) häufig wiederholt. Zieht immer. Faszinierend auch immer wieder, wenn Gahan bei Never Let Me Down Again mit einer einzigen lässigen Bewegung 45.000 Doppelarmscheibenwischer anwirft.

Unter Depeche Mode Fans scheint es wohl auch etwas Enttäuschung zu geben, dass die Setlist quasi in Beton gegossen ist und sich nicht groß von der letzten Tour unterscheidet. Als Ersttäter ist uns das ganz recht. Auch wenn wir uns einen Blick auf die Setlist und Youtube-Videos der Tour verkniffen haben, wurde das geliefert, auf das man insgeheim gehofft hat. Nur People are People und Master and Servant haben mir persönlich gefehlt, schließlich waren sie damals in den späten 80ern Teil meiner Depeche Mode Sozialisierung. Immerhin wurde ich mit Everything Counts und Never Let Me Down Again (eine meiner ersten CDs) versöhnt.

Eigentlich befinden sich Depeche Mode auf einer Outdoor-Tour. Die recht einfallslose, tiefe Bühne mit einem unspektakulären LED-Screen mag auf der Festwiese Leipzig oder auf dem Tempelhofer Feld ihren Zweck erfüllen. In (überdachten) Fußballarenen wie der Merkur-Spiel-Arena wirken sie einfallslos und unpraktisch, da ein nicht unerheblicher Teil der Zuschauer durch die tiefe Bühnenschachtel sichtbehindert ist. Hier hätte man eine offenere Indoor-Variante vorhalten müssen, denn solche Arena-Shows gibt es mehrfach auf der Tour. Wo wir schon am Mäkeln sind: Das Licht war ok, mehr nicht. Da bieten Acts dieses Kalibers bei so einer großen Show oft deutlich mehr.

Parkplatzchaos in Düsseldorf

Am Ausgang wirbt Mainstream-Punker Campino dann noch für Merkur-Glücksspiele von einem stark gephotoshopten Plakat herab. Hätte in den 80ern auch niemand gedacht, aber die Zeiten ändern sich eben.

Um vom Parkplatz zu kommen braucht es 1,5 Stunden, um eine freie Autobahn zu erreichen eine weitere halbe Stunde. Parkeinweiser und Polizei müssten eigentlich genug Großveranstaltungen absolviert haben, um so etwas professioneller hinzubekommen. Kein Aushängeschild für Düsseldorf. Das war 1998 beim Besuch des Rolling Stones Konzertes im alten Rheinstadion an gleicher Stelle auch schon so. Trotz dieser Odyssee fiel man irgendwann zwischen drei und halb vier Uhr morgens zufrieden ins Bett: Der Besuch hatte sich definitiv gelohnt. Die To-Do-Liste schrumpft weiter. Genesis, The Cure und Depeche Mode sind abgehakt, nun könnte Beck mal wieder in Europa touren.

Setlist

My Cosmos Is Mine
Wagging Tongue
Walking in My Shoes
It’s No Good
Sister of Night
In Your Room
Everything Counts
Precious
Speak to Me
A Question of Lust
Soul With Me (Acoustic)
Ghosts Again
I Feel You
A Pain That I’m Used To
World in My Eyes
Wrong
Stripped
John the Revelator
Enjoy the Silence

Encore:
Waiting for the Night (Acoustic)
Happy Birthday to You
Just Can’t Get Enough
Never Let Me Down Again
Personal Jesus