Sehr spontan ging es zum blur-Konzert in den Ziggo Dome nach Amsterdam. Eine Woche zuvor saßen wir in der Waldbühne, warteten auf The Who und diskutierten, welche Künstler wohl 2024 auf Tour in Europa gehen und ggf. sehenswert wären. Neben The Cure kamen wir auch auf blur, die kürzlich völlig unerwartet ein neues Album für Ende Juli angekündigt hatten und in diesem Sommer auf einigen Festivals und ein paar Shows in England spielen – und eben die Show in Amsterdam.

Irgendwie ließ mich das nicht los. Henning und Tom hatten blur 2015 bei einem Fan-Konzert in Berlin erleben dürfen. Tatsächlich gab es noch ein paar Tickets für Amsterdam. Zugeschlagen und los ging es schon ein paar Tage später. Der Ziggo-Dome ist eine vergleichsweise kleine, schachtelförmige Arena neben dem großen Fußball-Stadion im Süden von Amsterdam. Das hat den Vorteil, dass der Ziggo-Dome sowohl mit dem Auto als auch mit der Metro gut zu erreichen ist. Ok, 16 Euro Parkgebühr klingt erstmal teuer, für Amsterdam allerdings ein Schnäppchen, denn hier kosten die Burger im Hardrock-Café einfach 5 Euro mehr als in Hamburg. Parken in der Innenstadt ist ohne Kreditberater auf dem Beifahrersitz undenkbar. Egal, einen Konzertbesuch muss man als Kurzurlaub betrachten. Amsterdam gilt ja als freundliche und entspannte Stadt. Daher ist die Stimmung um und in der Halle auch bestens.

Als Vorgruppe steht die niederländische Indie-Band Pip Blom auf der Bühne. In der Gegend scheinen sie bekannt und beliebt zu sein, anders ist es nicht zu deuten, dass ihr mittelprächtiger Auftritt vom Publikum so goutiert wird, obwohl es der Mann am Soundboard nie schaffte, die Stimme der Sängerin irgendwie brauchbar Richtung PA zu schicken. Kann aber auch an der Sängerin selber gelegen haben.

Popscene

Dann schwebt das blur-Logo von der Decke herab und die Band startet mit St. Charles Square, einem unbekannten Song vom kommenden Album, in den Abend. Erst etwas ungewohnt, aber der typische blur-Sound ist klar erkennbar. Zum Glück tritt die Band ohne Bläsersektion auf. Gitarre, Bass, Drums, Gesang und hin und wieder ein Tasteninstrument. Reicht vollkommen.

Es folgen There’s No Other Way, Popscene, Trouble in the Message Centre und Tracy Jacks. Auch wenn die Band offenbar voll in ihrem Element ist, braucht der Funke gefühlt etwas länger im Vergleich zum Düsseldorfer Depeche Mode Konzert, um auf das Publikum überzuspringen. Erst mit Beetlebum hat Damon Albarn das Publikum vollständig im Griff. Der charismatische Frontmann der Band macht fast soviele Meter wie ein Mick Jagger auf der Bühne, gönnt sich zwischendurch auch ein kurzes Bad in den ersten Reihen. Was man ihm insbesondere anmerkt: er hat Spaß – so soll es sein.

Auch der Gitarrist blüht auf der Bühne auf. Graham Coxon, der in den Jahren zwischen den Band Aktivitäten vermutlich primär damit beschäftigt ist, neue Distortion-Pedalds auszuprobieren, arbeitet mit vollem Einsatz, wirft sich streckenweise vor seine Verstärker, ist voll in seinem Element. Sein Instrument bestimmt maßgeblich den Sound von blur.

Freedom for Tooting

Wenn dann der Anfang des nach langer Zeit zum ersten Mal wieder live gespielten Songs All Your Life verstolpert wird, ist er sich nicht zu schade, den Song abzubrechen, und die Probleme erstmal mit seinen Mitmusikern auszudiskutieren. Damon Albarn flieht dabei an den Bühnenrand und mischt sich lieber nicht ein.

Dave Rowntree an den Drums wirkt den ganzen Abend über hochkonzentriert. Lediglich zwischen den Songs kann man erkennen, dass auch er einen Heidenspaß am Spielen hat. Nur Alex James am Bass, der auch gut als Jogi-Löw-Double arbeiten könnte, wirkt den ganzen Abend über tiefenentspannt.

Der Vergleich mit dem Depeche Mode Konzert wird hier immer wieder auftauchen. Zu sehr ähnelt sich die Konstellation auch wenn generationsmäßig rund 10 Jahre zwischen beiden Bands liegen. Beide Bands durchlebten ihre alkohol- und drogenbedingten Krisen, waren zeitweise nicht mehr existent, sind nun wieder mit aktuellem Material auf Tour und begeistern neue aber vor allem alte Anhänger mit ihrem Status als legendäre Live-Band.

Parklife

Von der Band geht eine Menge Energie aus. Da, wo bei Depeche Mode die Halle oder Festwiese inzwischen etwas zu groß geworden ist, die Show etwas zu routiniert abläuft, zeigt sich der Unterschied zu blur. Hier spielt eine Band, die etwas rauslassen muss, sonst würde sie explodieren. Auch wenn die Stimmung sowohl bei Depeche Mode als auch bei blur im Innenraum und auf den Tribünen gleichermaßen großartig ist, hat man in diesem etwas intimeren Rahmen des Ziggo Doms eher den Eindruck, dass sie auch auf der Bühne einen kleines bisschen besser aufgenommen wird. Das mag sicherlich auch daran liegen, dass Depeche Mode einige hundert Konzerte allein in den letzten beiden Jahrzehnten mehr auf dem Konto zu verbuchen haben.

Auch wenn noch nach dem Einlass an der Lightshow herumprogrammiert wurde und die Tour primär auf Festivals stattfindet, erscheint die Lightshow im Vergleich zur etwas einfallslosen Depeche Mode Show kreativer und eindrucksvoller. Natürlich gibt es auch eine große LED-Wand im Hintergrund, auf der neben Live-Bildern auch zahlreiche Animationen und Filmchen laufen. Warum zwischenzeitlich vor dieser Wand nochmal drei kleinere Screens herabgelassen werden, erschließt sich mir nicht so ganz. Egal, sieht auch gut aus.

Langsam geht das Konzert in den Endspurt. Stereotypes, Parklife, Song 2 und Boys & Girls sind absolute Selbstläufer, auch wenn der Anfang von Stereotypes etwas vergeigt wurde.

Als weitere Zugabe gibt es noch The Narcissist vom kommenden Album und als Abschluss das wunderbare The Universal. Perfekt.

Nach dem Konzert verlaufen sich die Menschenmassen schnell auf dem Arena-Boulevard. Man ist fix am Parkplatz und im Handumdrehen ohne Verkehrsstau auf der Autobahn Richtung Deutschland. Tempomat an und entspannt nach Hause gleiten. Daran sollte sich Düsseldorf mal ein Beispiel nehmen. Nach dem Depeche Mode Konzert war ich gegen halb vier im Bett, nach dem blur Konzert sah mich mein Kopfkissen bereits um 2 Uhr in der früh wieder.

Setlist

St. Charles Square

There’s No Other Way

Popscene

Trouble in the Message Centre

Tracy Jacks

Chemical World

Beetlebum

Trimm Trabb

Villa Rosie

Colin Zeal

All Your Life (Live Debut – Neustart nach Abbruch)

Coffee & TV

End of a Century

Stereotypes

Parklife

To the End

Sing

Advert

Song 2

This Is a Low

Encore:

Girls & Boys

Tender

The Narcissist

The Universal