Lou Reed_Berlin 2012Der Himmel über Spandau kennt kein Erbarmen: Das mittlerweile fünfte Lou Reed Konzert in Berlin, das wir besuchen, beginnt und endet im Regen. Aber würde ein sonniger Abend zu den vielfach düsteren Texten von Lou Reed passen? Eben! Und so überstehen wir das Konzert halbwegs tapfer und trocken mit ein paar Plastikregenponchos, die wir vor 10 Jahren noch als unwürdige Müllsäcke verspottet hätten. Man wird eben älter.

From Velvet Underground to Lulu

Der Titel seiner Sommer Tour sagt ziemlich deutlich was die Zuschauer zu erwarten haben: Alte Hits und Songs von Lulu, seinem letzten Album, das er gemeinsam mit Metallica eingespielt hat. Dieses eigentlich grandiose  Album, eine Vertonung des Lulu Dramas von Frank Wedekind,  hat ihm eine Menge schlechter Kritiken eingebracht, primär aus dem Lager der Metallica Fans, die mit Lous Texten und seinem Sprechgesang so gar nicht klar kamen. Hier scheint das Tischtuch zerschnitten und eine gemeinsame Tour mit Metallica unwahrscheinlich. So äußerte Lou Reed in einem großartigen und für ihn typisch offenen Interview mit der Berliner Zeitung kürzlich äußerst abfällig (“Wenn Sie wissen wollen, wie ein Stück Scheiße aussieht… “) über die Fans von Metallica.

So muss Lou die Botschaft von Lulu nun allein in die Welt tragen. Dafür geht er nun mit seiner eignen Band auf Tour und würzt die Ausschnitte von Lulu mit alten Hits aus seiner langen Karriere.

Lou Reed eröffnet das Konzert auf seiner akustischen 12-String Gitarre mit dem Eröffnungssong des Lulu Albums: Brandenburg Gate. Das Einsetzen der siebenköpfigen Band nach den ersten Strophen macht schnell klar, dass dieser Abend kein leiser, beschaulicher Abend bleibt, auch wenn mit Rücksicht auf den Veranstaltungsort, der immer wieder Probleme mit den Anwohnern hat, die Lautstärke begrenzt war.

Weiter geht es mit wunderbar langen Versionen von Heroin und Waiting for the Man. Danach folgt das schon fast poppige Senselessly Cruel.

Einer der Höhepunkte des Abends ist sicherlich die grandiose Version von Sad Song aus dem – wie passend – Berlin Album. Auch hier gibt es – wie auch bei einigen anderen Songs – gesangliche Unterstützung von Allison Weiss, die auch das Vorprogramm bestritten hat.

Junge Band mit altem Eckpfeiler

Dass Lou Reed  Inzwischen 70 Jahre alt ist, merkt man ihm nur in wenigen Momenten an, z. B. dann wenn immer ihm beim Gitarrenwechsel doch betont vorsichtig das neue Instrument auf die zierlichen Schultern gehängt wird. Ansonsten würde niemand bei Songs wie The View daran denken, dass Lou Reed im Laufe seiner 45 jährigen Karriere müde geworden ist.

In der aktuellen Band gibt es mit Tony Thunder Smith nur einen Eckpfeiler aus alten Tagen. Ansonsten hat sich Lou Reed mit einer relativ Jungen Band, die auch eine Saxophonisten und eine elektronische Violine umfasst, verstärkt. Dabei hat er eine gute Wahl getroffen. Die Band glänzt durch Spielfreude sowohl bei den alten Klassikern als auch bei den Metall-Nummern aus dem Lulu Album.

Die Setlist lässt wenig Wünsche offen: Vermisst werden lediglich White Light, White Heat und Pale Blue Eyes, die häufiger auf dieser Tour dargeboten wurden und in Berlin fehlten. Die Version von Walk on the Wild Side wurde zwar politisch überkorrekt in der Zeile “and the colored girls go..” geändert in “and the girls go“, glänzte aber sonst mit Saxophon wie in alten Zeiten.  Das Konzert endet (vorhersehbar) mit einer tollen Version von Sweet Jane:

Trotzdem hat es  sich gelohnt, dem Regen zu trotzen: das Konzert reiht sich ein in eine Liste von Auftritten in Berlin, die man nicht verpasst haben sollte.

Setlist:

  • Brandenburg Gate
  • Heroin
  • I’m Waiting fort he Man
  • Senslessly Cruel
  • The View
  • Misstress Dread
  • Street Hassle
  • Cremation – Ashes to Ashes
  • Think It Over
  • Walk on the Wild Side
  • Sad Song
  • Junior Dad
  • Beginning  to see the Light
  • Sweet Jane

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